Entgegen der aktuellen Aussagen großer Internetversandhändler ist die Retourenabsicht der deutschen Online-Kunden tatsächlich im ersten Halbjahr 2022 weiter auf signifikant niedrigem Niveau. Das zeigt ein Vergleich der seit 2017 wöchentlich vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. erhobenen Daten zum Konsumverhalten im Internet. Demnach gaben zum ersten Halbjahr durchschnittlich neun von zehn Online-Kunden (89,9 Prozent) an, die von ihnen bestellte Ware behalten zu wollen. Das entspricht dem Vorjahreswert, liegt nur einen Prozentpunkt unter dem Wert des Jahres 2020 und immer noch mehr als drei Prozentpunkte über den Werten der Jahre 2018 (86,4 Prozent) und 2019 (86,7 Prozent).
Die Rücknahme von Waren gehört zum Verbraucherschutz und ist Teil eingespielter Prozesse im Online- und Versandhandel. Umso wichtiger ist die Forschung zu Rücksendegründen, Umfang, Vermeidbarkeit und Verwertung von Retouren aber auch zum konkreten Retourenverhalten. Im Herbst dieses Jahres erscheint eine aktualisierte Auflage des Retourenkompendiums vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. zu diesem Thema vor.
Das Retourenkompendium umfasst u.a. eine genauere Analyse des Retourenverhaltens bei Bekleidung und Schuhen, die höhere Rücksendungsquoten als andere Warengruppen aufweisen. Auch hier zeigt sich im ersten Halbjahr 2022 eine gegenüber der Corona-Hochphase nur leicht erhöhte Retourenabsicht. Hatte im Jahr 2019 insgesamt ein gutes Drittel (69,2 Prozent) der befragten Online-Käufer von Bekleidung angegeben, die Ware behalten zu wollen, stieg dieser Wert 2020 auf 75,2 Prozent und erreichte im Jahr 2021 mit 77,2 Prozent einen Spitzenwert. Im ersten Halbjahr 2022 liegt er mit 74,3 Prozent weiterhin auf einem gemäßigten Niveau.
Damit entsprechen die Praxiswerte nicht den Aussagen der Online-Versandverhändler, wonach die Kosten für Retouren „explodieren“ und damit zukünftig eine Versandkostenbeteiligung erfordern. Man darf gespannt sein, wie sich dieses Thema entwickelt.